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Jahreswechsel 2023/2024

Familienstartzeit-Gesetz

Gemäß der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige, die am 1. August 2019 in Kraft getreten ist, sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Mindestvorschriften umzusetzen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz zu erreichen.

Ein Großteil der Vorgaben dieser sog. EU-Vereinbarkeitsrichtlinie bedurfte hierzulande keiner weiteren gesetzlichen Umsetzung, weil sie in Deutschland bereits geltendem Recht entsprechen. Bezüglich der Einführung einer bezahlten Partnerfreistellung für zehn Arbeitstage (sog. „Vaterschaftsurlaub“ gem. Art. 4 der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie) liegt seit dem 29. März 2023 ein Referentenentwurf des Bundesfamilienministeriums für ein Familienstartzeit-Gesetz vor.

Anpassung Mutterschutzgesetz

Durch einen Anspruch für abhängig beschäftigte Partner und Partnerinnen auf eine bezahlte Freistellung für die Dauer von zehn Arbeitstagen nach der Entbindung der Frau (Partnerfreistellung) sollen Eltern zielgenauer dabei unterstützt werden, in der frühen Familienphase Partnerschaftlichkeit gemeinsam umzusetzen

Mit der Neuregelung wird der Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) um Partner und Partnerinnen erweitert. Dabei gelten § 1 Abs. 2 und 3 MuSchG entsprechend, so ist aus Gründen der Gleichstellung sichergestellt, dass der persönliche Anwendungsbereich für Partner und Partnerinnen dem für schwangere oder stillende Frauen entspricht. Bislang hat allein die Frau rund um den Zeitpunkt der Entbindung einen besonderen Anspruch auf Freistellung von der Beschäftigung.

Die Definition, wer als Partner oder Partnerin i. S. MuSchG gilt, gliedert sich in drei Alternativen, die sich gegenseitig ausschließen (Verknüpfung mit „oder“).

Nummer 1

Nach Nummer 1 ist der andere Elternteil Partner oder Partnerin i. S. MuSchG, wenn er mit der Frau, die entbunden hat, in einem Haushalt lebt. Die Regelung erfasst den nach dem BGB feststehenden (rechtlichen) Elternteil. Die Bestimmung des Partners oder der Partnerin ergibt sich insofern nicht aus einer Willenserklärung, sondern durch Gesetz. Es wird unwiderleglich vermutet, dass die entbundene Frau nicht als alleinerziehend einzustufen ist. Kürzere Abwesenheiten, etwa durch Urlaub oder Dienstreisen, lassen das Vorliegen der Voraussetzungen nicht entfallen. Liegen die Voraussetzungen vor, ist Nummer 3 nicht anwendbar.

Nummer 2

Nach Nummer 2 ist auch eine andere Person, die mit der Frau, die entbunden hat, eine Lebenspartnerschaft geschlossen hat und mit ihr in einem Haushalt lebt, ein Partner oder eine Partnerin. Diese Regelung erfasst insbesondere Fälle, in denen z. B. in einer Lebenspartnerschaft der eine Lebenspartner aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Adoptionsverfahrens noch nicht rechtlicher Elternteil ist. Ebenso wie nach Nummer 1 ergibt sich die Bestimmung nicht aus einer Willenserklärung, sondern durch Gesetz.

Nummer 3

Nummer 3 regelt, dass die Frau während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung eine Person als Partner oder Partnerin benennen kann, wenn der andere Elternteil nicht im selben Haushalt lebt. Diese Person kann der andere Elternteil (der nicht mit der Frau in einem Haushalt lebt) oder eine andere Person sein. Anders als bei pflegeversicherungsrechtlichen Regelungen erfolgt keine Begrenzung auf nahe Angehörige. Der Frau soll es ermöglicht werden, z. B. auch eine Freundin als Partnerin zu benennen. Diese Regelung soll insbesondere der besonderen Lebenssituation von Alleinerziehenden Rechnung tragen und ihnen ebenfalls die wichtige Regeneration nach der Geburt durch die Unterstützung einer ihr vertrauten Person erleichtern – insbesondere dann, wenn sie mit anderen minderjährigen Kindern zusammenlebt und allein für deren Pflege und Erziehung sorgt. Nummer 3 greift nur in den Fällen, in denen der andere (rechtliche) Elternteil oder die Lebenspartnerin nicht im Haushalt der Frau lebt. Für den Fall, dass der andere Elternteil oder die Lebenspartnerin im Haushalt der Frau lebt, wird nach Nummer 1 bzw. Nummer 2 im Ergebnis (unwiderleglich) vermutet, dass sie nicht alleinerziehend ist.

HINWEIS:

Nach Nummer 1 ist in aller Regel nur der Vater berechtigt, eine ersatzweise Benennung einer dritten Person ist in diesen Fällen nicht möglich, auch wenn der Vater verhindert sein sollte; entsprechendes gilt für Lebenspartner nach Nummer 2. Für Fälle nach Nummer 3 kann als Partner oder Partnerin immer nur eine Person benannt werden kann.

Partnerfreistellung und Partnerschaftslohn

Partnerfreistellung und Partnerschaftslohn sollen ohne großen bürokratischen Aufwand gegenüber dem Arbeitgeber beansprucht werden können, ähnlich wie bei einer Krankmeldung:

  • Der Partner oder die Partnerin kann von seinem oder ihrem Arbeitgeber tageweise in den ersten zehn Arbeitstagen ab dem Entbindungstag oder ab dem darauffolgenden Arbeitstag eine Freistellung von der Arbeitsleistung verlangen.
  • Für die Dauer der Freistellung erhält der Partner oder die Partnerin von seinem oder ihrem Arbeitgeber Partnerschaftslohn, gezahlt wird das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor der Entbindung.

Regelungsziel: Im Vordergrund steht die Partnerschaftlichkeit der Elternteile untereinander. Die Regelung soll es dem Partner oder der Partnerin ermöglichen, sich um die Frau zu kümmern, die sich nach den Anstrengungen der Geburt regenerieren muss. Die Neuregelung dient damit vornehmlich dem Gesundheitsschutz der Frau. Die Ansprüche bestehen deshalb auch bei Totgeburten, denn auch nach der Entbindung von einem toten Kind hat die Mutter einen hohen Bedarf an Regeneration und Unterstützung.

Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen

Anders als beim Anspruch nach § 616 BGB soll der Arbeitgeber die Kosten für die Freistellung künftig nicht alleine tragen, sondern erhält einen vollen Erstattungsanspruch aus der U2 – Umlage 2 nach dem AAG (Aufwendungsausgleichsgesetz). Die Kosten für die Partnerfreistellung sollen also ins Erstattungsverfahren U2 einbezogen werden. Seine Aufwendungen werden dem Arbeitgeber auf Antrag ersetzt, sobald er den Partnerschaftslohn an den Arbeitnehmer ausgezahlt hat.

WICHTIG:

Wie bereits dargestellt kann aufgrund § 616 BGB bei unverschuldeter vorübergehender Verhinderung (abdingbar) nach BAG-Rechtsprechung für bis zu fünf Tage Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen. Künftig werden Arbeitgeber, die Partnerschaftslohn zu zahlen haben, in vollem Umfang von diesen Kosten freigestellt.

Novum: Bis dato werden nur Mutterschaftsleistungen aus dem arbeitgeberfinanzierten U2-Umlagetopf gezahlt. Zukünftig gilt dies auch für den Partnerschaftslohn, der auch Vätern zugutekommen. Dies führt dazu, dass im Rahmen des U2-Erstattungsverfahrens nicht nur Mutterschaftsaufwendungen ausgeglichen werden, sondern auch Aufwendungen für Väter. Damit verliert die Umlage 2 den Charakter der allein auf Frauen bezogenen Lohnnebenkosten.

[Bearbeitungsstand: 20.10.2023]